Veranstaltungsarchiv:
- Veranstaltungsbericht: Die große Unbekannte - Zivile Verteidigung in Deutschland
- Veranstaltungsbericht 15. Petersberger Gespräche
- Veranstaltungsbericht Sicherheitspolitische Dynamiken in der Taiwan-Sraße vom 01. Juli 2018
- Bericht zum BSH-KFIBS-Symposium vom 8. Mai 2019
- Russische Außenpolitik unter Putin - 27.04.2019
- Veranstaltungsbericht "Hybrid Warfare" - 23.01.2019
- Bericht zu den 14. Petersbergen Gesprächen zur Sicherheit - 13.10.2019
- Der neue Traditionserlass der Bundeswehr. - 20.07.2018
- Themenabend „Russland & Baltikum“ - 13.06.2018
- Vortrag: Somalia zwischen Terror und Staatsaufbau - 14.08.2016
- POL&IS / Sicherheitspolitisches Planspiel - 21.09. – 23.09.2015
Veranstaltungsbericht - Die große Unbekannte: Zivile Verteidigung in Deutschland




Unter dem Titel „Die große Unbekannte – Zivile Verteidigung in Deutschland“ eröffnete die Kölner Hochschulgruppe für Sicherheitspolitik am 22. Januar das Jahr 2020! Als Referenten durften wir Dr. Wolfram Geier, Abteilungsleiter im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), bei uns an der Universität zu Köln begrüßen. Er referierte über den Zivil- und Katastrophenschutz sowie über das Konzept der „Zivilen Verteidigung“ als ein Element der Gesamtverteidigung.
„Haben wir ein Radar, dass in der Lage ist, den schwarzen Schwan zu sehen?“ Mit dieser Metapher beendete Dr. Wolfram Geier seinen Vortrag an der Universität zu Köln. Der schwarze Schwan - ein überraschendes, unerwartetes Phänomen, eine Bedrohung, die vielleicht unter das Radar fällt und von der wir gar nicht wissen, dass es sie gibt? Das Gesamtsystem jedenfalls sehe sich, so führte es Dr. Geier vorher aus, zahlreichen Herausforderungen gegenüber: politische, sozio-ökonomische, ökologische, technologische und auch psychosoziale Phänomene seien hier vordergründig zu nennen. Aber auch der demographische Wandel spiele „mit all seinen Facetten in das Gesamtsystem herein“, denn er tangiere das Fundament des Hilfeleistungssystems, nämlich den operativen Bereich, die Aufgabendurchführung, auf kommunaler Ebene. Damit gebe es eine breite Klaviatur an Veränderungsprozessen, die den Bevölkerungsschutz vor neue Aufgaben stelle. Als Folge dessen habe man mit neuartigen Bedrohungen zu kämpfen, auf die man sich einstellen müsse. Versorgungsangriffe auf oftmals privatisierte Infrastrukturen, neue Generationen von Viren, CBRN-Gefahren (Bedrohungen chemischer (C), biologischer (B) oder radiologischer (R) bzw. nuklearer (N) Natur) vor deren Auswirkungen man Schutz gewähren müsse, aber auch moderne Kriegsarten, beispielsweise die hybride Kriegsform, könne man, so der Referent, in diesem Atemzug zu nennen. Besonders bedrohlich seien ebenso Risiken aus dem digitalen Bereich. Nur behördenübergreifende Maßnahmen seien in der Lage, sich diesen Bedrohungen entgegenzustellen und eine suffiziente Antwort zu liefern. Insgesamt betrachtet sei die Pyramide des Hilfeleistungssystems, bestehend aus dem breiten Fundament der operativen Durchführung auf kommunaler Ebene, der Landesgesetzgebung und dem Bund als Spitze der Pyramide, jedoch stabil und gut aufgestellt.
Neben dem alltäglichen Bevölkerungsschutz führte der Abteilungsleiter in seinem Vortrag auch in das Konzept der „Zivilen Verteidigung“ ein. Diese Konzeption habe unter anderem die Aufgabe, im Spannungs- oder Verteidigungsfall die staatliche Ordnung sowie die Sicherung und Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen und bilde – gemeinsam mit der militärischen Komponente – die Gesamtverteidigung. Die „Zivile Verteidigung“ basiere auf vier fundamentalen Säulen: die erste Säule sei der Zivilschutz, die zweite die Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsgewalt, die dritte Säule beziehe sich auf den Schutz der kritischen Infrastruktur, während die vierte Säule die Unterstützung der Streitkräfte darstelle. Die zweite Säule genieße in Zeiten neuartiger Bedrohungen eine besondere Renaissance, ebenso wie die dritte Säule. Allgemein sei das Konzept jedoch „auf das alte Kriegsbild ausgerichtet“ und müsse an einigen Stellen nachjustiert werden.
Und wie sieht es letztendlich mit den schwarzen Schwänen aus? Dr. Geier zeigte sich diesbezüglich optimistisch: „Schwarze Schwäne sind erkennbar, wir haben nur das richtige System noch nicht gefunden.“ Um dies effektiver zu gestalten, müsse der Austausch zwischen der Wissenschaft und der Praxis weiter intensiviert werden. Eine Transferleistung von der wissenschaftlichen Seite in Politik und Öffentlichkeit sei fundamental, um schwarze Schwäne zu finden. Weitere Ansätze für eine Modifizierung des Systems sah der Abteilungsleiter in einem Ausbau der Früherkennung, in der Präventionsarbeit und in einem integrierten Krisenmanagement, welches auch die private Seite als Anbieter von Infrastruktur in die staatliche Seite integriert. Außerdem benötige man ein gutes Risikobewusstsein und Kommunikation.
Veranstaltungsbericht 15. Petersberger Gespräche




Seit geraumer Zeit gewinnt die einstige Kernaufgabe der NATO, die Landes- und Bündnisverteidigung, für das westliche Bündnissystem wieder an Relevanz. Die diesjährigen Petersberger Gespräche zur Sicherheit, die im geschichtsträchtigen Steigenberger Grand Hotel auf dem Petersberg stattfanden, stellten genau diese Thematik in den Mittelpunkt. Dabei wurde auch die Rolle der Europäischen Union thematisiert. Unser Dank gilt auch in diesem Jahr dem Kölner Jugendoffizier Moritz Brake, der uns tatkräftig bei der logistischen Planung unterstützte und uns die Teilnahme ermöglichte.
"Einigkeit bedeutet Stärke“. Mit diesen Worten betonte Wolfgang Hellmich, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestags und, neben der Gesellschaft für Sicherheitspolitik sowie der Karl-Theodor Molinari Stiftung, Mitveranstalter der Gespräche, gleich zu Beginn seiner Begrüßung die Relevanz des Zusammenhalts. Angesichts einer komplizierten internationalen Lage könne es, so Hellmich, nur eine Antwort geben: Multilateralismus. Auch Sebastian Hartmann, der Vorsitzende der NRW-SPD, wies in seinem Begrüßungsstatement auf die verzwickte internationale Lage hin und betonte, dass innere und äußere Sicherheit nicht mehr so leicht zu trennen seien. Andre Wüstner, der Vorsitzende des Deutschen BundeswehrVerbandes und der Karl-Theodor Molinari Stiftung, wies daraufhin, dass es wichtig sei, unterschiedliche gesellschaftliche Gruppe zusammenzubringen und zu diskutieren. Die Petersberger Gespräche seien ein Paradebeispiel für einen sicherheitspolitischen Diskurs.
Dr. Hans-Dieter Lucas, der ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Nordatlantikrat, markierte das Jahr 2014 als sicherheitspolitischen Wendepunkt. Seitdem habe die Landes- und Bündnisverteidigung auch wieder an Relevanz gewonnen. Der Dialog mit Russland sei wichtig und dürfe nicht abbrechen. „Es reicht aber nicht aus, nur auf russische Raketen zu schauen“, so Lucas weiter. Auch der Syrienkonflikt stehe wieder auf der Tagesordnung, wobei er betonte, dass die Türkei ein schwieriger Partner mit einer wichtigen strategischen Bedeutung sei. Darüber hinaus dürfe man die Sicherheitsinteressen der südlichen Partner nicht vernachlässigen. Die USA würden, entgegen der verlautbaren Rhetorik, weiterhin in die europäische Sicherheit investieren und auch Truppenverlegungen nach Europa durchführen. Nichtsdestotrotz müsse Europa, als Pfeiler der NATO, auch etwas für die eigene Sicherheit tun und die „Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit“, wie es Lucas formulierte, verbessern. Dafür reiche der kleinste gemeinsame Nenner nicht immer aus. Daher sei die Einführung eines europäischen Sicherheitsrates nicht wirklich einfach, aber sehr zu begrüßen. Letztendlich dürfe man die NATO und die EU nicht als sicherheitspolitische Alternativen sehen, sondern als zwei Bausteine, die zusammenarbeiten müssten, um den komplexen Sicherheitsherausforderungen begegnen zu können. In der anschließenden Diskussionsrunde, die neben Dr. Lucas aus dem Politikwissenschaftler und Präsidenten der Gesellschaft für Sicherheitspolitik Prof. Johannes Varwick und Wolfgang Hellmich bestand, forderte Varwick einen neuen politischen Anlauf mit Russland, um mit diesem unangenehmen Partner im Gespräch zu bleiben. Den Kauf des russischen Raketenabwehrsystems S-400 durch die Türkei bezeichnete er als Skandal, den man hätte verhindern müssen. Im Hinblick auf die GSVP der EU betonte der Politikwissenschaftler, dass man bisher nicht weiter gekommen sei und man nun überlegen müsse, wie man es besser machen könne. Hellmich hingegen kritisierte den Trend zur Re-Nationalisierung des sicherheitspolitischen Denkens, wobei sich dieser Trend selten im sicherheitspolitischem Handeln widerspiegle.
Der Nachmittag widmete sich traditionell der deutschen Sicherheitspolitik und insbesondere der Bundeswehr. Dieses Mal stand Deutschland als Transitland im Zentrum des Geschehens. Generalleutnant Knappe, Kommandeur des noch jungen Joint Support an Enabeling Command (JSEC), knüpfe an Botschafter Lucas an und berichtete von Anpassungen in den Kommandostrukturen und über die Arbeit von JSEC. Im Anschluss referierte Generalleutnant Martin Schelleis und nahm Bezug auf die im kommenden Jahr anstehende Großübung „U.S. Defender Europe“, in der Deutschland als Transitland für Truppenverlegungen nach Osteuropa dienen wird. Man müsse darauf vorbereitet sein, dass insgesamt 20.000 amerikanische Soldaten mit Mann und Maus den Atlantik überqueren werden. Viele Bereiche, insbesondere aber die Bevölkerung und damit der zivile Sektor, seien dann gefordert. Doch letztendlich, so Schelleis weiter, sei man gut vorbereitet.
In der anschließenden Diskussion stellte Dr. Wolfram Geier, Abteilungsleiter im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der zivilen Verteidigung eine zweifelsohne schlechte Note aus. Das Weißbuch im Jahr 1972 sei das einzige Weißbuch, das sich der zivilen Verteidigung widme. Das Prinzip der Gesamtverteidigung sei einfach nicht mehr bekannt, was dazu führe, dass „Deutschland so verletzlich sei, wie nie zuvor“. Andreas Biallas, Mitglied im Landtag des Landes Nordrhein Westfalen und neben Schelleis, Knappe und Dr. Geier ein Podiumsteilnehmer des Nachmittages, unterstrich diesen Aspekt und ergänzte, dass vieles aus dem Blickfeld verschwunden sei, was einst sichtbar war. Man müsse aber wieder mehr Sichtbarkeit hinbekommen, denn „alles, was man nicht sieht, ist irgendwann weg.“ Und das dürfe keinesfalls geschehen.
Sicherheitspolitische Dynamiken in der Taiwan-Straße



Am 01. Juli referierte Dr. Hermann Halbeisen, Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte der Universität zu Köln sowie ausgewiesener Experte für den ostasiatischen Raum, über die sicherheitspolitischen Dynamiken in der Taiwan-Straße. Im Fokus des Vortrages standen der Hintergrund, aber auch die Perspektiven und Entwicklungen zwischen China und Taiwan.
Im ersten Teil seines Vortrages skizzierte Halbeisen die Hintergründe des Konfliktes. Als wichtiges Ereignis identifizierte er dabei den Bürgerkrieg von 1949, der letztendlich mehrere Chinas hervorgebracht habe: Das chinesische Festland, die von den Kommunisten begründete Volksrepublik China sowie die Republik auf Taiwan, die sich der Einverleibung durch die Volksrepublik erwehren konnten. Diese Spaltung habe einen starken innerchinesischen Aspekt gehabt. „Wer ist eigentlich die legitime Regierung?“, fragte Halbeisen und verdeutlichte damit seinen Standpunkt. Daraus folgte auch eine Systemkonkurrenz zweier chinesischer Systeme, die, so Halbeisen, beide ein Alleinstellungsmerkmal erhoben und sich gegeneinander positioniert hätten. Auf der einen Seite habe das marktwirtschaftlich orientierte Taiwan gestanden, auf der anderen Seite die kommunistisch geprägte Volksrepublik China. Letzteres habe sich aus diesem Wettbewerb als Sieger vorgetan: „Die Volksrepublik stärkte seine internationale Stellung und wurde beispielsweise in allen internationalen Organisationen der Vertreter Chinas“. Die USA hingegen seien der Prämisse, dass es ein China mit mehreren Regierungen gebe, gefolgt. Im Laufe der späten 1980er und 90er Jahre habe sich dann eine verstärkte wirtschaftliche Interaktion zwischen Taiwan und China entwickelt. Die Volksrepublik China sei mit einem westlichen Boykott belegt worden, während die ökonomische Situation auf Taiwan unter anderem Arbeitsknappheit und Umweltprobleme aufgewiesen habe. „So entwickelte sich aus verschiedenen Dynamiken eine verstärkte Interaktion, die sogar dazu führte, dass Taiwan der größte Investor der Volksrepublik wurde“, verdeutlichte der Lehrbeauftragte. Gleichzeitig habe sich auf Taiwan eine ambivalente Perzeption Chinas entwickelt, die China sowohl als Chance, aber auch als Bedrohung umfasste. Darauf basierend sei ein Konzept entwickelt worden, dass davon ausgehe, dass es nur ein Land, nämlich China, aber zwei unterschiedliche sozio-ökonomische Systeme gebe. Ein zweites ausgearbeitetes Konzept, der Konsens von 1992, habe die Einigung umfasst, dass es ein China gebe. Die Einigung, was denn nun das eine China sei, wäre allerdings offen geblieben und hätte divergierende Vorstellungen auf beiden Seiten erzeugt. Die Präsidentschaft von Ma Ying-Jeou auf Taiwan habe China jedoch Annäherung beider Seiten belegt.
Unter den Präsidentschaften von Xi Jinping in der Volksrepublik China sowie der seit 2016 auf Taiwan regierenden Präsidentin Tsai Ingwen seien nun grundlegende Veränderungen in den zwischenstaatlichen Beziehungen zu beobachten. Xi Jinping habe die kommunistische Partei wieder in den Fokus gerückt und als langfristige Perspektive formuliert, dass China – damit meine er die Volksrepublik - seine alte Stellung als Reich der Mitte zurückgewinne. Damit wolle er, so Halbeisen, eine Ordnung schaffe, die sich auf die bereits erwähnten chinesischen Konzepte stütze; und damit auch Taiwan degradiert und als Teil der Agenda ansehen würden. Auf der anderen Seite stehe die neue Präsidentin Taiwans, Tsai Ingwen, die den Konsens von 1992 ablehne und Taiwan als eigenständige Nation mit eigener Geschichtsschreibung und Kultur ansehe. Diese Haltung habe sich auch politisch niedergeschlagen, denn „Tsai versucht seither, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu reduzieren und strebt ebenso die Rückkehr in internationale Organisationen an“, so der Referent. Diese zentrifugalen Bewegungen hätten das Verhältnis zwischen beiden Seiten grundlegend verändert. Die offiziellen Kontakte seien eingefroren; zudem prüfe die Volksrepublik Einflussoptionen auf Wahlen und Wirtschaft in Taiwan. Nicht zuletzt könne man, so Halbeisen, auch eine Aufrüstung erkennen; so würde Taiwan mittlerweile von den USA mit Waffen und Ausrüstung ausgerüstet werden. „Die Wahrscheinlichkeit von militärischen Konflikten nimmt zu“, so Halbeisen’s militärische Prognose. Durch die Renaissance des chinesischen Selbstverständnisses, die beispielsweise im südchinesischen Meer zu sehen wäre, bringe auch Akteure wie Japan dazu, sich aufzurüsten und sicherheitspolitische Kooperationen mit Taiwan einzugehen. Die USA hätten sich ebenfalls durch mehrere Positionspapiere klar zu Taiwan bekannt. „Es sei nicht auszuschließen, dass Taiwan wieder ein sicherheitspolitischer Krisenherd wird“, bilanzierte Halbeisen.
Bericht zum 1.BSH-KFIBS-Symposium vom 8. Mai 2019




Aus drei Perspektiven (Wissenschaft, Militär, Politik) widmete sich das erste Symposium, welches von der Kölner BSH-Hochschulgruppe für Sicherheitspolitik, dem Kölner Forum für Internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik e.V. (KFIBS) sowie der Jungen DGAP/Köln organisiert und durchgeführt wurde, der erkenntnisleitenden Frage, ob Deutschland reif genug ist, europäische Führungsverantwortung zu übernehmen. Podiumsteilnehmer waren General a.D. Egon Ramms, der Politikwissenschaftler Dr. Alexander Reichwein (JLU Gießen) und der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel (SPD).
Dr. Alexander Reichwein stellte in seinem Eröffnungsvortrag einige grundsätzliche Überlegungen zu Deutschlands Rolle „im Herzen von Europa“an. Deutschland als „gefesselter Gulliver“ hätte nach dem Zweiten Weltkrieg ausbalanciert und an Relevanz verlieren sollen. Wenn man ihn aber entfessele, könne er in zwei Richtungen ausscheren: Entweder betreibe er eine aggressive Außenpolitik oder verwandle sich in einen verantwortungsbewussten Akteur. Die deutsche Wiedervereinigung habe in vielen Ländern Fragen solcher Art aufgeworfen. „Gulliver ist entfesselt, was passiert nun?“, fasste Reichwein die Situation zusammen. Deutschland habe seit der Wiedervereinigung unterschiedliche Phasen im Hinblick auf Europa erlebt und dabei nicht immer einen konsistenten Weg verfolgt. Langsam werde man jedoch erwachsen und sich zudem bewusst, dass man als „Verantwortungsmacht“ für Europa in der Pflicht stehe. Eine Ration der Gründung der damaligen EG war, (West)Deutschland einzubinden, um es dadurch kontrollieren und zähmen zu können. Aus diesem Europa sei nun über die letzten 30 Jahre ein Europa geworden, das von Deutschland mittlerweile erwarte, dieses Europa zusammenzuhalten - und verantwortungsbewusst durch Krisen zu führen.
General a.D. Egon Ramms griff die Metapher Reichweins in seinem Eingangsstatement auf und wies darauf hin, dass auch die NATO mitunter gegründet wurde, um Deutschland klein zu halten. Man bräuchte allerdings auch Deutschland, um die Verteidigung des westlichen Bündnisses zu bewerkstelligen und unterstrich die starke Stellung Deutschlands als zentrale Macht in Europa. So sei Deutschland beispielsweise die Landmacht zwischen den Alpen und dem Norden sowie ein Transitland, das mit einem sehr gut ausgebauten Verkehrsnetz nördlich der Alpen dienen könne. Dies sei auch als Wirtschaftsnation wichtig: „Wir müssen Rohstoffe einführen und Industrieprodukte ausführen!“, führte Ramms aus. Wirtschaftlich und bevölkerungsmäßig wäre Deutschland das stärkste Land der EU und das zweitstärkste NATO-Land. „Wann übernimmt Deutschland die Macht, die Deutschland eigentlich zusteht?“, fragte er im Hinblick auf die Präsenz des Landes im Zentrum Europas.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel betonte seinerseits, dass das wiedervereinigte Deutschland ein „europäisches Deutschland“ sei. In diesem Punkt bestehe weitgehende Einigkeit. Dies sei von besonderer Relevanz, denn es wäre für die EU essenziell, dass Deutschland Verantwortung übernehme. „Wenn die Mitte schwach wird, werden die Ränder stark“ – und das sei gefährlich.
Das 1. BSH-KFIBS-Symposium schloss an eine Debatte zur „neuen deutschen Außenpolitik“ an, die nicht neu ist, aber seit der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 deutlich an Fahrt gewonnen hat. Uns freut es, dass es auch bei dieser Veranstaltung gelungen ist, Wissenschaft und Praxis zu vereinen und dadurch die gegenwärtige Debatte greifbar zu machen. Als Mittler bzw. Vermittler von Sicherheitspolitik ist es uns erneut gelungen, eine aktuelle Debatte aufzugreifen und aus verschiedenen Blickwinkeln differenziert aufzubereiten.
Russische Außenpolitik unter Putin



Der Politikwissenschaftler Felix Riefer beschäftigte sich in seinen Vortrag an der Universität zu Köln mit der russischen Außenpolitik und damit mit einem großen, vielfältigen Land. In seinem Vortrag behandelte er insbesondere die postsowjetische Entwicklung Russlands und unterstrich die Bedeutung dieser für die gegenwärtige russische Außenpolitik. Als wichtigstes Machtinstitution nannte er die Präsidialadministration.
Für Russland sei, so der Politikwissenschaftler Felix Riefer, die Auflösung der Sowjetunion auch heute noch ein bedeutender Referenzpunkt. So habe beispielsweise Wladimir Putin, der seit 1999 Präsident des Landes ist, immer wieder dahingehend argumentiert und den Zerfall als größte geopolitische Katastrophe bezeichnet. Insbesondere die 1991 unterzeichnete Alma-Ata-Erklärung, in der laut Vertrag die Schaffung einer Gemeinschaft unabhängiger Staaten mit der Anerkennung von Souveränität verbunden mit der territorialen Integrität der einzelnen Mitgliedsstaaten beschlossen wurde, ist insbesondere bis heute noch von der Ukraine und Russland verschieden interpretiert worden. Die russische Sichtweise beziehe sich dabei auf eine Übergangsstufe, die in einer Reformierung und damit in einer Art wiedervereinigten Konföderation münde. Auch deswegen artikuliere die russische Führung seither immer wieder die Unzufriedenheit mit der Rolle Russlands uns habe spätestens seit dem russischen-georgischen Krieges 2008 ihre Interpretation der Erklärung zum Vorschein kam.
Um die russische Außenpolitik nachzuvollziehen und verstehen zu können, sei es auch von Bedeutung, das politische System zu analysieren. Felix Riefer, der unter anderem durch seine eigene Feldforschung Expertise auf diesem Gebiet gewonnen hat und sich bestens mit der politischen Lage in Russland vertraut ist, identifizierte vor allem 1993 als ein Schlüsseljahr der postsowjetischen Zeit: zwar sei die erste demokratische Verfassung, die Demokratie, Menschenrechte und auch die Marktwirtschaft als Ziel proklamierte, implementiert worden, doch 1993 wurde zeitgleich "auch der Meilenstein für den typisch für Russland stark geprägten präsidialen Fokus gelegt". Dies führte zu einem instabilen Mix aus instabilen, demokratischen Institutionen, die dadurch in der Folge interpretiert worden sind. Durch die Machtübernahme Putins im Jahre 1999 sei der Fokus auf den Präsidenten noch weiter gestärkt werden. Eine Zentralisierung der Macht sei ebenso wie eine ideelle Abschottung gegenüber dem Ausland und dem Westen ein Markenzeichen für das "System Putins". Damit einhergehend habe auch eine Reorientierung hin zu dem Wertekanon und Organisationsformen der späteren Zeit unter Breschnew stattgefunden. Die einzig wirkliche Machtzentrale unter Putin - und das sei entscheidend, um auch die Außenpolitik des Landes verstehen zu können - sei die Präsidialadministration, eine riesige Organisationseinheit, die dem Präsidenten zuarbeite. "Diese Black-Box ist die wichtigste Institution der russischen Politik", analysierte der Politikwissenschaftler. Der Fokus liege folgerichtig, anders als wir es aus den westlichen Demokratien kennen würden, nicht auf dem Parlament oder der Regierung.
Indizien für die Sichtweisen der russischen Machteliten liefern unter anderem die Beiträge us der Zeitschrift "Russia in Global Affairs". Hier hat Sergej Lawrow, russischer Außenminister, in einem Artikel klar und deutlich die außenpolitische n Positionen Russlands geschildert. So sei Russlands ein europäisches Land, das allerdings den europäischen Wertekanon ablehne: "Damit beschreibt Lawrow kurz gesagt, dass Russland zwar zu Europa gehöre, aber eben insbesondere etwas Eigenes sei". Zusätzlich lehne Russland die amerikanische Führungsrolle ab und sehe sich mit den USA und mit der EU auf Augenhöhe. Der russische Generalstabschef Walerij Gerassimow habe darüber hinaus in einem viel beachteten Hochschulvortrag expliziert, dass man einige Ziele nicht mehr allein durch militärische Feuerkraft, sondern vielmehr auch durch den vermehrten Einsatz von Desinformationen erreichen könne. "Damit skizziert er eine nicht-lineare Kriegsführung, die zwar als Gegenreaktion und defensive Abwehrmaßnahme auf den Arabischen Frühling gedacht war, aber auch als Weg für eine russische Strategie bezeichnet", resümierte Felix Riefer.
Veranstaltungsbericht "Hybrid Warfare"



ADLAS-Herausgeber und Historiker Stefan Dölling beschäftigt sich in seinem Vortrag mit an der Universität zu Köln mit dem unklaren Begriff "Hybrid Warfare" und behandelte im gleichem Atemzug auch die Rolle Russlands im Zusammenhang mit diesem Konzept.
"Hybrid Warfare" ist spätestens seit der Annexion der Krim durch Russland im Jahre 2014 in aller Munde: zumindest seither hat gefühlt jeder eine ungefähre Ahnung davon, was damit gemeint ist. Stefan Dölling, Herausgeber des ADLAS-Magazins, wies allerdings schon zu seines Vortrages darauf hin, dass das Konzept an sich begrifflich auch heute noch unscharf sei und von verschiedenen Akteuren recht inflationär zur Beschreibung von teils sehr unterschiedlicher Phänomene genutzt werde. Dabei müsse man derzeit vor allem aufpassen, den Begriff nicht zu einem Platzhalter für alle unfreundlichen Aktivitäten der russischen Föderation gegen den Westen verkommen zu lassen, da dies weder deren Komplexität noch zur analytischen Klarheit ihrer Analyse beitrage.
Trotz Abwesenheit einer allgemeingültigen Definition können man durch einen Vergleich verschiedenster Definitionsversuche und Beschreibungen von "Hybrid Warfare" Aspekte identifizieren, die diesen Kern ausmachten: Ein fundamentaler Punkt sei etwa, so Dölling, dass diese neue Art der Kriegsführung in den angegriffenen Gesellschaften gleichzeitig auf sehr unterschiedliche Ebenen jenseits der klassischen militärischen abziele. Dies mache sowohl die Vorhersage möglicher Angriffsvektoren als auch die Planung ihrer Abwehr sehr schwierig. Ein hybrider Krieger verschleiere seine Attacken zudem in der Regel komplex, agiere militärisch stets unterhalb der Schwelle offenen, konventionellen Krieg und führe seine vielen einzelnen Angriffe oftmals nur mit niedriger Intensität aus. Seine besondere Gefährlichkeit entwickele Hybrid Warfare insbesondere daraus, dass er seine Wirkung primär von Synergieeffekte der vielen, gegen verschiedenen Ebenen der angegriffenen Gesellschaft laufenden, an sich oftmals als harmlos empfundenen, Einzelaktionen beziehe. Die betroffenen Gesellschaften realisierten oft erst viel zu spät. dass sie tatsächlich angegriffen werden: "Oft bemerkt man Angriffe erst, wenn die Messe bereits gelesen ist."
Gemessen an seinen Eigenschaften, so Dölling, im zweiten Teil seines Vortrages, sei "Hybrid Warfare" indes nichts fundamental Neues. Am Beispiel der sogenannten Sudetenkrise im des Jahres 1938, die bei näherer Betrachtung erstaunliche Parallelen zur derzeitigen russischen Aggression gegen die Ukraine aufweist, macht der Historiker greifbar, dass das Deutsche Reich die Kernelemente der vermeintlich neuen hybriden Kriegsführung bereits in den 1930er erfolgreich gegen die Tschechoslowakei zur Anwendung brachte. Im letzten Teil seines Vortrages versuchte Dölling schließlich, ein wenig Licht in die Entstehungsgeschichte des Konzeptes "Hybrid Warfare" zu bringen und gleichzeitig die Frage zu beantworten, was das alles denn mit Russland zu tun habe. Dabei machte er deutlich, dass "Hybrid Warfare" in seiner ursprünglichen Bedeutung Anfang der 2000er Jahre eigentlich einmal von Politikwissenschaftlern erschaffen worden war, um vor allem die Kriegsführung der Tschetschenen und Hezbollah besser beschreiben zu können - also von Akteuren, die sich in einer Grauzone zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren bewegten. Es ging daher ursprünglich um Gruppen, die zwar nicht wirklich in der Lage waren, klassische konventionelle zwischenstaatliche Kriege zu führen, die aber dennoch so hoch entwickelt waren, dass sie in ihrer Kriegsführung auf einige Elemente zurückgreifen konnten, die normalerweise nur Nationalstaaten zur Verfügung standen.
Obgleich sich seinerzeit der Begriff nicht durchsetzen konnte, hätte "Hybrid Warfare" dann unter gänzlich anderen Vorzeichen mit Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine mit Annexion der Krim eine Renaissance erlebt. Seither werde "Hybrid Warfare" vor allem zur Beschreibung eines nicht offiziell erklärten Krieges Russlands gegen seine Nachbarn genutzt. Insbesondere eine Rede des russischen Generalstabschefs Waleri Gerassimow aus dem Jahre 2013 beflügelte damals die Fantasie zahlreicher Beobachter und Analysten, die fortan die vermeintlich neue Art der hybriden Kriegsführung als Gerassimow-Doktrin bezeichneten. Bei näherer Betrachtung habe der russische General in seiner Rede allerdings keineswegs einen neuen "Russian Way of War" beschrieben, sondern vor dem Hintergrund von Farbenrevolutiion und Arabischen Frühling vielmehr die sicherheitspolitischen Herausforderungen für Russland aus seiner Sicht skizziert. Doch obgleich selbst der Schöpfer des Begriffs, Politikwissenschaftler Mark Galeotti, mittlerweile öffentlich dafür plädiert hat, den - eigentlich nur als plakativen Blickfang für seinen Blog gedachten - Begriff nicht mehr zu verwenden, geisterte die "Gerassimow-Doktrin" auch hierzulande weiter durch die sicherheitspolitische Debatte.
Abschließend bekräftigte Steffen Dölling seine Skepsis daran, ob der Begriff "Hybrid Warfare" gerade in Bezug auf Russland gegenwärtig überhaupt analytisch nutzbar zu machen sei. Denn insbesondere die gerne unter diesem begriff subsummierten vielfältigen, unfreundlichen Aktivitäten der Russischen Föderation gegenüber den liberalen Demokratien westlicher Prägung wären in der Regel eben keine verdeckte Projektion militärischer Machtmittel, sondern ähneln vielmehr dem, was George Kenan der US-Regierung bereits im Jahr 1948 in seinen Überlegungen zum "Political Warfare" zur Führung des kalten Krieges mit auf den Weg gegeben hatte.
Bericht zu den 14. Petersberger Gesprächen zur Sicherheit


Auch in diesem Jahr hatte eine Gruppe von Studierenden rund um die Kölner Hochschulgruppe für Sicherheitspolitik die Gelegenheit an der sicherheitspolitischen Konferenz "Petersberger Gespräche zur Sicherheit" teilzunehmen, welche sich dieses Jahr ganz den Herausforderungen der deutschen und europäischen Außenpolitik widmete.
Bereits in der Keynote von Wolfgang Hellmich, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, wurden die größten Herausforderungen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik definiert: Der Klimawandel mit seinen direkten und indirekten Folgen für Deutschland, hybride Bedrohungsszenarien, Cyberattacken und die instabile atlantische Zusammenarbeit mit der aktuellen US-Führung seien die drängendsten Herausforderungen der sich Politik und Wirtschaft widmen müssen.
Botschafterin Antje Leendertse, Politische Direktorin im Auswärtigen Amt, ergänzte, dass dies keine genuin deutsche Problematiken seien und ein mehr an deutscher Verantwortung auch darin läge, diese Herausforderungen mit unseren europäischen Partnern zu lösen. Im Hinblick auf die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit hob sie die europäische Bedeutung der Initiative hervor, das als Gegengewicht zu aktuellen Erosionserscheinungen identifiziert werden könne. Eine Stärkung der Europäische Union würde darüber hinaus auch die NATO stärken. Neben der militärischen Komponente müsse jedoch besonders der zivile Baustein verbessert werden, wobei eine politische Abstützung aller Unternehmungen unabdinglich sei. Um diese zu gewährleisten, ist es für Leedertse durchaus denkbar, einen europäischen Sicherheitsrat einzuführen, in dem strategische Debatten einen adäquaten Ort finden würden.
Bei allen europäischen Ansätzen betont Christoph Rauh, Unterabteilungsleiter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) noch einmal die deutsche Außenpolitik und lobt den kohärenten Ansatz der Bundesministerien in der außenpolitischen Zusammenarbeit. So seien Auswärtiges Amt, das Bundesverteidigungsministerium sowie die Bundeswehr und MBZ keinesfalls Konkurrenten, sondern können sich nur gemeinsam den aktuellen Herausforderungen stellen. In dem Zusammenhang ließe sich auch die aktuelle Debatte um die geforderten 2% im Wehretat entkräften - das BMZ hat einen Etat von acht Mrd. €, also 0,7% des Haushalts, während das Bundesministerium der Verteidigung ca. 1,5% bekommt. Addiert ergäben sich damit 2,2% des Bundeshaushalts für außen- und sicherheitspolitische Herausforderungen und böten damit ein gutes Argument gegen die geforderten 2% der NATO.
"Die Bundewehr ist keine Prekariatsarmee" fasste der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, die aktuelle Personallage der Bundeswehr zusammen, doch die Ausrüstungslage die an einem kritischen Punkt angekommen. Die mangelhafte Lage im Bereich der persönlichen Ausrüstung der Soldaten wurde zwar behoben, doch sei der Ersatzteilmangel bei den Fahrzeugen eklatant. So wurde bisher der Ersatzteilmangel durch Ausbau von Teilen aus alten Fahrzeugen notdürftig kompensiert, doch jetzt beginne es kritisch zu werden. Dafür sei die Bundeswehr auf einem guten Weg um den ausgewiesenen Plan, drei Divisionen voll aufgefüllt bis 2031, verwirklichen zu können. Die Nachwuchsprobleme seien händelbar und es gebe mehr Bewerber als Posten in der Bundeswehr frei seien, doch auf die Expertise der Reservedienstleistenden könne man trotzdem nicht verzichten. Diese Expertise wird besonders notwendig, wenn man diese mit der vom Generalinspekteur beschriebenen Bedrohungslage vergleicht: Die Arktis, die seit geraumer Zeit in das Interesse zahlreicher Verbündete rückt, aber auch Russland und insbesondere die von dort ausgehende Cyberbedrohung seinen ernstzunehmende Herausforderungen. Auch die Lage in Afghanistan bereitet Zorn Sorge, so sei doch eine "strategische Pattsituation zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung eingetreten". Hier sei mittelfristig keine Lösung der Problematik in Sicht. Ein weiteres schwieriges Feld sei Afrika. Exemplarisch sei Mali, wo insgesamt 22 Nationen versuchen würden, Stabilität im Land herzustellen. Die Koordinierung gestaltet sich laut Zorn nicht immer einfach, so würden beispielsweise die europäische EUTM Mission, die UN-Mission MINUSMA, aber auch die Aktivitäten der G5 Sahel Staaten kaum miteinander zusammenhängen und dementsprechend die Effizienz der Mission verringern.
Im Vortrag des Generalinspekteurs erhielt des Weiteren auch der Auftrag der Bundeswehr eine besondere Stellung: So seien Landes- und Bündnisverteidigung wieder gleichrangig mit internationaler Verteidigung zu sehen. Das beeinflusse auch die strukturelle Dimension der Streitkräfte, braucht man für eine effiziente Landes- und Bündnisverteidigung doch Bataillone, während man für die Ertüchtigung von Sicherheitskräften vor Ort hochrangige Soldaten benötigt, die eine adäquate Ausbildung leisten können. Doch trotz aller komplexer Herausforderung, bestätigte der Wehrbeauftragte der Bundesregierung Dr. Hans-Peter Bartels, sei die Bundeswehr auf einem guten Weg. Um die Bundeswehr wieder materiell auf Kurs zu bringen, benötige man finanzielle Mittel um den Ersatzteilmangel zu beseitigen. Doch dies bedarf viel diplomatisches Fingerspitzengefühl, wie Wolfgang Hellmich berichtete: "Wer dem Haushaltsausschuss zu sehr auf die Füße tritt. der merkt: Die treten zurück." Allerdings nicht so, wie es sich der Verteidigungsausschuss wünschen würde. Ebenso sei Biel Verhandlungsgeschick im Umgang mit der Industrie vonnöten, um gemeinsam den Ersatzteilmangel anzugehen. Man dürfe nicht nur fordern, sondern müsse die Industrie auch befähigen, schneller zu liefern. Das bedeutet, man müsse in größeren Stückzahlen bestellen oder man sehe sich gezwungen, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Angesichts neuer Rüstungsprojekte, die von enormer Relevanz seien, beobachte er mit Sorge, dass sich der europäische Markt aktuell gegeneinander strukturiere. Dass hätte im Enddefekt Nachteile für jeden, hier müsse die Politik aktiv werden und handeln. Auch zeige sich die Wichtigkeit des "deutsch-französischen Schulterschlusses", den Botschafterin Leendertse betonte, denn nur so ließe sich eine gesteigerte Handlungsfähigkeit ermöglichen.
Auch dieses Jahr gilt unser Dank dem Kölner Jugendoffizier Moritz Brake, der uns bei der logistischen Planung unterstütze und uns darüber hinaus ermöglichte, eine Frage an das Plenum zu richten. Auch die Teilnahme wäre ohne ihn kaum realisierbar gewesen. Die Petersberger Gespräche verdeutlichten uns hingegen wieder, dass unser akademisches Wissen stets im Austausch mit der sicherheitspolitischen Praxis stehen muss, um wirksam ergänzt werden zu können. Der Dialog ist eines der wichtigsten Werkzeuge, um beide Komponenten - die akademische sowie die praktische - in Einklang zu bringen.
Der neue Traditionserlass der Bundeswehr

Veranstaltungsbericht zum Vortrag von Philipp Fritz, am 20.07.2018:
Der neue Traditionserlass wurde in einer breiten und tiefgehenden Debatte aufgegriffen und kontrovers diskutiert – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Bundeswehr.
Der Militärethnologe Philipp Fritz nahm sich in seinem Vortrag an der Universität zu Köln den am 28. März 2018 präsentierten Erlass zur Brust und ging gleichzeitig auch darauf ein, was tatsächlich sinn- und traditionsstiftend für die Bundeswehrangehörigen ist.
Einflussreichster Faktor, so der Vorsitzende der Fachgruppe für außen- und sicherheitspolitische Themen (FAUST), seien die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Diese seien nicht nur soldatische Realität, sondern auch aktuelle Bezugspunkte für das militärische Selbstverständnis sowie Quelle einer „Einsatzkultur“. Das besitze großen Einfluss auf die Binnenkultur der Bundeswehr, die sich als Einsatzarmee im stetigen Veränderungsstress befände.
Durch die Stärkung der eigenen Geschichte und der eigenen Leistungen seit der Gründung 1955 würde eine Art „Traditionswende“ stattfinden. Fritz bezweifelt allerdings, dass sich in der kurzen Zeit ausreichend Material finden lässt, um den Soldatinnen und Soldaten als „wirkmächtige Traditionsgrundlage“ zu dienen – insbesondere wenn es um umfangreiche Erfahrungen des Kämpfens geht. Dabei gab der Referent zu bedenken, dass speziell die Einsatz- und Gefechtserfahrungen aus den Auslandseinsätzen für Angehörige des Militärs von besonderer Bedeutung seien und die Grundlage für Einsatzgeschichten bilden würden. Eine weitreichende historische Perspektive sei kaum möglich. Insbesondere für den noch jungen Organisationsbereich der Bundeswehr, wie beispielsweise dem Kommando Cyber- und Informationsraum (CIR), seien womöglich zu wenig Bezugspunkte gegeben.
Fritz, welcher auch am Exzellenzcluster „Normative Orders“ der Universität Frankfurt tätig ist, wies auf Missstände in der Vergangenheit hin, in der, auch aufgrund fehlender Traditionsangebote, bedenkenswerte Bezüge zur Wehrmacht hergestellt worden wären. Im Hinblick auf den neuen Traditionserlass stellte der Ethnologe fest: „Auch mit dem neuen Traditionserlass gibt es noch Schlupflöcher. In Einzelfällen können auch Angehörige der Wehrmacht und anderer ehemaliger deutscher Armeen als Vorbilder dienen“. Hier sehe der Traditionserlass allerdings eine genaue Abwägung der Leistungen und der persönlichen Schuld vor, wobei speziell die politische Komponente einen hohen Wert besitze. Die Taten müssten mit den heutigen politischen Werten vereinbar seien. Man betrachte folglich jede militärische Handlung der Vergangenheit aus heutiger Perspektive; mit der Brille aktueller Werte. Das stärke die Ausrichtung der Soldaten im Hinblick auf das Grundgesetz und die Menschenwürde, so der Referent. Hierbei würde nach Fritz helfen, eine klare Trennlinie zwischen umfänglicher Geschichte und bewusst gewählter Tradition zu ziehen.
Mit diesem Traditionserlass habe das Bundesministerium der Verteidigung den Soldatinnen und Soldaten eine Grundlage gegeben, um auf die reflektierte Suche nach der eigenen Tradition zu gehen. Damit läge es nun hauptsächlich an den militärischen und zivilen Mitarbeitern der Bundeswehr selbst, den Traditionserlass auch in die praktische Ebene zu übertragen. Nur so könne er sichtbar und erlebbar gemacht werden.
Philipp Fritz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Er promoviert im Bereich der Militärethnologie und wird durch die Hanns-Seidel-Stiftung gefördert.
Themenabend „Russland & Baltikum“ der Hochschulgruppe für Sicherheitspolitik an der Universität zu Köln

Veranstaltungsbericht zum Themenabend „Russland & Baltikum":
Die drei baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland, seit 2004 Mitglied der Europäischen Union sowie der NATO, sorgen seit Jahren für Spannungen zwischen Ost und West. Sven Jovy, Absolvent der Universität zu Köln, hat sich auf diese komplexe, umfangreiche Thematik spezialisiert und ging bei seinem Vortrag an der Universität zu Köln auf die Grundzüge der sicherheitspolitischen Problematik an der Ostflanke der NATO ein.
Die geographische Nähe der baltischen Staaten zu Russland und die Mitgliedschaft in der NATO schaffe gegenseitige Provokationen auf beiden Seiten. Die größte Sorge der baltischen Staaten sei es eine militärische Intervention der russischen Armee. Doch diese sei, so Jovy, höchst unwahrscheinlich.
Fundament für die komplexe Interdependenz zwischen den Akteuren stelle der historische Kontext dar. Die russische Revolution 1918 hätten die baltischen Staaten genutzt, um ihre Unabhängigkeit vom Zarenreich zu verkünden. Dies sei ein relevanter Schritt für das Selbstverständnis und das Souveranitätsgefühl der „kleinen Länder“ gewesen. Nachdem die baltischen Staaten durch die Wirren des 2. Weltkriegs wieder in russisch-sowjetische Hände fielen, habe man 1990 die Chance genutzt, sich ein zweites Mal unabhängig zu machen, was von russischen Hardlinern allerdings bis heute nicht anerkannt werde. Der zweite Akt der Unabhängigkeit endete schließlich in einem deutlichen Westkurs: 2004 traten die baltischen Staaten der EU und der NATO bei.
Die Funktion der NATO beschränke sich auf die äußere Sicherheit, so der Referent. Das ist ein entscheidender Baustein in Jovys Argumentation, denn dadurch seien die baltischen Staaten von außen her sicher. Der stärkste Akteur der NATO, die USA, sei als Supermacht anzuerkennen. Die USA könne beispielsweise mehrere Auslandseinsätze gleichzeitig führen und im Bedarfsfall NATO Unterstützung gewährleisten. Russland hingegen sieht Jovy, von ihm bewusst überspitzt formuliert, als „Regionalmacht“ an, denn die militärischen Fähigkeiten seien auf die Landesverteidigung sowie auf kleinere militärische Konflikte beschränkt. Die RAND Studie 2016 diene als unterstützendes Argument für solch eine These.
Die eigentliche Herausforderung für die baltischen Staaten läge vielmehr innerhalb ihrer Länder. Dort würden bis heute Minderheiten-Konflikte existieren die ein transatlantisches Verteidigungsbündnis, das sich rein auf die äußere Sicherheit fokussiert, nicht in den Griff kriegen könne. Das sei ein fundamentaler Schwachpunkt der NATO. Genau an diesen Punkten setze die russische Föderation durch verschiedene Covert Violent Actions an. Eine verdeckte Aufrüstung oder gar militärische Unterstützung dort ansässiger Separatisten sei beispielsweise eine Vorgehensweise, welche die NATO an ihrer empfindlichsten Stelle treffen würde. Die Russische Föderation untergrabe mit solchen Vorgehensweisen die Autorität der NATO. Hier müsse die Europäische Union als Mediator auftreten und eine Aussöhnung innerhalb der baltischen Staaten anstreben. Die Europäische Union könne, im Gegensatz zur NATO, als Akteur in die innerstaatlichen Prozesse eingreifen.
Zum Abschluss dankte der Vorsitzende der Hochschulgruppe, Philipp Thimm, dem Referenten und betonte, dass gerade die baltische Thematik hochaktuell und die sicherheitspolitische Problematik an der Ostflanke der NATO alles andere als ein Nischenthema sei.
Abstrakt: Eine hybride Kriegsführung in Form eines konventionellen militärischen Krieges wie in der Ostukraine sei, so der Referent, unwahrscheinlich. Vielmehr konzentriere sich die Eskalation auf eine bestimmte Covert Violent Actions, die dazu dienen solle, die Autorität der NATO zu untergraben und das innerstaatliche Gefüge zu gefährden, wobei Instrumentarien die militärische Unterstützung separatistischer Kräfte oder das Anstiften zu einer terroristischen Kampagne innerhalb des Baltikums sein könne. Der Dünger dafür sei unter anderem durch die Minderheiten-Konflikte innerhalb der baltischen Länder gegeben. Und hier liege die eigentliche Gefahr für die baltischen Staaten und damit die relevante Herausforderung für das westliche Bündnissystem. Speziell die Europäische Union müsse sich um die Minderheitenkonflikte kümmern und dort als Mediator fungieren, denn die innere Gefahr wäre viel tiefgreifender und gefährlicher als die russische Armee.
Vortrag: Somalia zwischen Terror und Staatsaufbau
Geprägt von der Terrormiliz al-Shabaab und den Auswirkungen des Bürgerkriegs seit Ende der 1980er Jahre galt Somalia lange als der failed state per se. Trotz der weiterhin prekären Sicherheitslage ist das Land am Horn von Afrika derzeit auf einem guten Weg. Im Jahr 2012 wurden erstmals – seit dem Sturz des Diktators Siad Barre 1991 – Wahlen abgehalten und politische Institutionen werden langsam wieder aufgebaut; so legte die somalische Regierung im Juni einen Entwicklungsplan für die kommenden drei Jahre vor und für den Oktober sind Wahlen vorgesehen.
Der Journalist Tobias Simon wird über seinen Aufenthalt in der Hauptstadt Mogadischu berichten. Im Juni hat er die europäische Ausbildungsmission EUTM besucht und konnte Gespräche mit Vertretern von UN, EU und der somalischen Zivilgesellschaft führen. Vortrag mit anschließender Diskussion
- Wann: 24. August 2016, 19:00 Uhr
- Wo: Seminarraum S 65, Philosophikum, Universität zu Köln
- Um vorherige Anmeldung wird gebeten: koeln(at)sicherheitspolitik.de
Tobias Simon ist freier Journalist und arbeitet für deutsche und internationale Medien zu Afrika und dem Mittleren Osten, u.a. für den britischen Guardian und das dt. Orient-Magazin Zenith. An der Akademie für Internationale Zusammenarbeit der GIZ bereitet er als Tutor für Landeskunde ausreisende Personen u.a. für Somalia vor.
Foto: Soldaten der Friedensmission Amisom schützen die Hauptstadt Mogadischu (© UN Photo/Stuart Price CC BY-NC-ND 2.0)
Die dreitägige Simulation von Außen- und Sicherheitspolitik, POL&IS
Die HSG Köln organisiert für Euch das sicherheitspolitische Planspiel Pol&IS in Gummersbach Ende September!
Was ist Pol&IS?
Eine dreitägige Simulation von Außen- und Sicherheitspolitik, bei der einzelne Teilnehmer in Teams die Posten von Staats-, Regierungs- und Wirtschaftsministern einnehmen. Auch internationale Organisationen wie die Weltbank oder die UN werden simuliert durch Euch.
Wer kann Teilnehmen?
Alle Interessierten sind herzlich eingeladen! Ihr braucht keine Erfahrung in Planspielen oder spezifische Vorkenntnisse. Wir haben Platz für 30 bis 47 Diskussionsbegeisterte!
Wo wird Simuliert?
In den Räumen der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach bei Köln. In der Akademie befinden sich sowohl die Räume für die Simulation, als auch zur Übernachtung und Verpflegung. Weitere Informationen erhaltet Ihr hier: www.freiheit.org/Theodor-Heuss-Akademie/346c/
Wenn Ihr nun Euer sicherheitspolitisches und diplomatisches Können unter Beweis stellen wollt und drei spannende Tage verbringen wollt, sind hier noch einmal die wichtigsten Fakten zusammen gefasst:
- Wann: 21.09. – 23.09.2015
- Wo: Theodor-Heuss-Akademie, Gummersbach
- Kostenbeitrag: mögliche Anreisekosten (der Bustransfer ab Köln bis Gummersbach und zurück nach Köln am dritten Tag, die Unterkunft, Verpflegung und Simulation werden über den BSH und die Jugendoffiziere finanziert)
- Verpflegung: drei Mahlzeiten und Kaffeepausen
Alle Interessenten können sich gerne jederzeit bei uns melden: www.facebook.com/SicherheitspolitikKoeln
oder
www.sicherheitspolitik.de/koeln/kontakt.html oder direkt bei:
Weitere Informationen über Pol&IS findet Ihr hier:
www.jugendoffizier.eu/unser-angebot/simulation-polis/
Bitte meldet Euch so schnell wie möglich bei uns!