Veranstaltungsbericht zum Vortrag "Russische Außenpolitik unter Putin"

Der Politikwissenschaftler Felix Riefer beschäftigte sich in seinen Vortrag an der Universität zu Köln mit der russischen Außenpolitik und damit mit einem großen, vielfältigen Land. In seinem Vortrag behandelte er insbesondere die postsowjetische Entwicklung Russlands und unterstrich die Bedeutung dieser für die gegenwärtige russische Außenpolitik. Als wichtigstes Machtinstitution nannte er die Präsidialadministration.

 

Für Russland sei, so der Politikwissenschaftler Felix Riefer, die Auflösung der Sowjetunion auch heute noch ein bedeutender Referenzpunkt. So habe beispielsweise Wladimir Putin, der seit 1999 Präsident des Landes ist, immer wieder dahingehend argumentiert und den Zerfall als größte geopolitische Katastrophe bezeichnet. Insbesondere die 1991 unterzeichnete Alma-Ata-Erklärung, in der laut Vertrag die Schaffung einer Gemeinschaft unabhängiger Staaten mit der Anerkennung von Souveränität verbunden mit der territorialen Integrität der einzelnen Mitgliedsstaaten beschlossen wurde, ist insbesondere bis heute noch von der Ukraine und Russland verschieden interpretiert worden. Die russische Sichtweise beziehe sich dabei auf eine Übergangsstufe, die in einer Reformierung und damit in einer Art wiedervereinigten Konföderation münde. Auch deswegen artikuliere die russische Führung seither immer wieder die Unzufriedenheit mit der Rolle Russlands uns habe spätestens seit dem russischen-georgischen Krieges 2008 ihre Interpretation der Erklärung zum Vorschein kam.

 

Um die russische Außenpolitik nachzuvollziehen und verstehen zu können, sei es auch von Bedeutung, das politische System zu analysieren. Felix Riefer, der unter anderem durch seine eigene Feldforschung Expertise auf diesem Gebiet gewonnen hat und sich bestens mit der politischen Lage in Russland vertraut ist, identifizierte vor allem 1993 als ein Schlüsseljahr der postsowjetischen Zeit: zwar sei die erste demokratische Verfassung, die Demokratie, Menschenrechte und auch die Marktwirtschaft als Ziel proklamierte, implementiert worden, doch 1993 wurde zeitgleich "auch der Meilenstein für den typisch für Russland stark geprägten präsidialen Fokus gelegt". Dies führte zu einem instabilen Mix aus instabilen, demokratischen Institutionen, die dadurch in der Folge interpretiert worden sind. Durch die Machtübernahme Putins im Jahre 1999 sei der Fokus auf den Präsidenten noch weiter gestärkt werden. Eine Zentralisierung der Macht sei ebenso wie eine ideelle Abschottung gegenüber dem Ausland und dem Westen ein Markenzeichen für das "System Putins". Damit einhergehend habe auch eine Reorientierung hin zu dem Wertekanon und Organisationsformen der späteren Zeit unter Breschnew stattgefunden. Die einzig wirkliche Machtzentrale unter Putin - und das sei entscheidend, um auch die Außenpolitik des Landes verstehen zu können - sei die Präsidialadministration, eine riesige Organisationseinheit, die dem Präsidenten zuarbeite. "Diese Black-Box ist die wichtigste Institution der russischen Politik", analysierte der Politikwissenschaftler. Der Fokus liege folgerichtig, anders als wir es aus den westlichen Demokratien kennen würden, nicht auf dem Parlament oder der Regierung. 

 

Indizien für die Sichtweisen der russischen Machteliten liefern unter anderem die Beiträge us der Zeitschrift "Russia in Global Affairs". Hier hat Sergej Lawrow, russischer Außenminister, in einem Artikel klar und deutlich die außenpolitische n Positionen Russlands geschildert. So sei Russlands ein europäisches Land, das allerdings den europäischen Wertekanon ablehne: "Damit beschreibt Lawrow kurz gesagt, dass Russland zwar zu Europa gehöre, aber eben insbesondere etwas Eigenes sei". Zusätzlich lehne Russland die amerikanische Führungsrolle ab und sehe sich mit den USA und mit der EU auf Augenhöhe. Der russische Generalstabschef Walerij Gerassimow habe darüber hinaus in einem viel beachteten Hochschulvortrag expliziert, dass man einige Ziele nicht mehr allein durch militärische Feuerkraft, sondern vielmehr auch durch den vermehrten Einsatz von Desinformationen erreichen könne. "Damit skizziert er eine nicht-lineare Kriegsführung, die zwar als Gegenreaktion und defensive Abwehrmaßnahme auf den Arabischen Frühling gedacht war, aber auch als Weg für eine russische Strategie bezeichnet", resümierte Felix Riefer.