Veranstaltungsbericht 15. Petersberger Gespräche

Seit geraumer Zeit gewinnt die einstige Kernaufgabe der NATO, die Landes- und Bündnisverteidigung, für das westliche Bündnissystem wieder an Relevanz. Die diesjährigen Petersberger Gespräche zur Sicherheit, die im geschichtsträchtigen Steigenberger Grand Hotel auf dem Petersberg stattfanden, stellten genau diese Thematik in den Mittelpunkt. Dabei wurde auch die Rolle der Europäischen Union thematisiert. Unser Dank gilt auch in diesem Jahr dem Kölner Jugendoffizier Moritz Brake, der uns tatkräftig bei der logistischen Planung unterstützte und uns die Teilnahme ermöglichte.

„Einigkeit bedeutet Stärke“. Mit diesen Worten betonte Wolfgang Hellmich, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestags und, neben der Gesellschaft für Sicherheitspolitik sowie der Karl-Theodor Molinari Stiftung, Mitveranstalter der Gespräche, gleich zu Beginn seiner Begrüßung die Relevanz des Zusammenhalts. Angesichts einer komplizierten internationalen Lage könne es, so Hellmich, nur eine Antwort geben: Multilateralismus. Auch Sebastian Hartmann, der Vorsitzende der NRW-SPD, wies in seinem Begrüßungsstatement auf die verzwickte internationale Lage hin und betonte, dass innere und äußere Sicherheit nicht mehr so leicht zu trennen seien. Andre Wüstner, der Vorsitzende des Deutschen BundeswehrVerbandes und der Karl-Theodor Molinari Stiftung, wies daraufhin, dass es wichtig sei, unterschiedliche gesellschaftliche Gruppe zusammenzubringen und zu diskutieren. Die Petersberger Gespräche seien ein Paradebeispiel für einen sicherheitspolitischen Diskurs. 

 

Dr. Hans-Dieter Lucas, der ständige Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im Nordatlantikrat, markierte das Jahr 2014 als sicherheitspolitischen Wendepunkt. Seitdem habe die Landes- und Bündnisverteidigung auch wieder an Relevanz gewonnen. Der Dialog mit Russland sei wichtig und dürfe nicht abbrechen. „Es reicht aber nicht aus, nur auf russische Raketen zu schauen“, so Lucas weiter. Auch der Syrienkonflikt stehe wieder auf der Tagesordnung, wobei er betonte, dass die Türkei ein schwieriger Partner mit einer wichtigen strategischen Bedeutung sei. Darüber hinaus dürfe man die Sicherheitsinteressen der südlichen Partner nicht vernachlässigen. Die USA würden, entgegen der verlautbaren Rhetorik, weiterhin in die europäische Sicherheit investieren und auch Truppenverlegungen nach Europa durchführen. Nichtsdestotrotz müsse Europa, als Pfeiler der NATO, auch etwas für die eigene Sicherheit tun und die „Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit“, wie es Lucas formulierte, verbessern. Dafür reiche der kleinste gemeinsame Nenner nicht immer aus. Daher sei die Einführung eines europäischen Sicherheitsrates nicht wirklich einfach, aber sehr zu begrüßen. Letztendlich dürfe  man die NATO und die EU nicht als sicherheitspolitische Alternativen sehen, sondern als zwei Bausteine, die zusammenarbeiten müssten, um den komplexen Sicherheitsherausforderungen begegnen zu können. In der anschließenden Diskussionsrunde, die neben Dr. Lucas aus dem Politikwissenschaftler und Präsidenten der Gesellschaft für Sicherheitspolitik Prof. Johannes Varwick und Wolfgang Hellmich bestand, forderte Varwick einen neuen politischen Anlauf mit Russland, um mit diesem unangenehmen Partner im Gespräch zu bleiben. Den Kauf des russischen Raketenabwehrsystems S-400 durch die Türkei bezeichnete er als Skandal, den man hätte verhindern müssen. Im Hinblick auf die GSVP der EU betonte der Politikwissenschaftler, dass man bisher nicht weiter gekommen sei und man nun überlegen müsse, wie man es besser machen könne. Hellmich hingegen kritisierte den Trend zur Re-Nationalisierung des sicherheitspolitischen Denkens, wobei sich dieser Trend selten im sicherheitspolitischem Handeln widerspiegle.

 

Der Nachmittag widmete sich traditionell der deutschen Sicherheitspolitik und insbesondere der Bundeswehr. Dieses Mal stand Deutschland als Transitland im Zentrum des Geschehens. Generalleutnant Knappe, Kommandeur des noch jungen Joint Support an Enabeling Command (JSEC), knüpfe an Botschafter Lucas an und berichtete von Anpassungen in den Kommandostrukturen und über die Arbeit von JSEC. Im Anschluss referierte Generalleutnant Martin Schelleis und nahm Bezug auf die im kommenden Jahr anstehende Großübung „U.S. Defender Europe“, in der Deutschland als Transitland für Truppenverlegungen nach Osteuropa dienen wird. Man müsse darauf vorbereitet sein, dass insgesamt 20.000 amerikanische Soldaten mit Mann und Maus den Atlantik überqueren werden. Viele Bereiche, insbesondere aber die Bevölkerung und damit der zivile Sektor, seien dann gefordert. Doch letztendlich, so Schelleis weiter, sei man gut vorbereitet. 

 

In der anschließenden Diskussion stellte Dr. Wolfram Geier, Abteilungsleiter im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der zivilen Verteidigung eine zweifelsohne schlechte Note aus. Das Weißbuch im Jahr 1972 sei das einzige Weißbuch, das sich der zivilen Verteidigung widme. Das Prinzip der Gesamtverteidigung sei einfach nicht mehr bekannt, was dazu führe, dass „Deutschland so verletzlich sei, wie nie zuvor“. Andreas Biallas, Mitglied im Landtag des Landes Nordrhein Westfalen und neben Schelleis, Knappe und Dr. Geier ein Podiumsteilnehmer des Nachmittages, unterstrich diesen Aspekt und ergänzte, dass vieles aus dem Blickfeld verschwunden sei, was einst sichtbar war. Man müsse aber wieder mehr Sichtbarkeit hinbekommen, denn „alles, was man nicht sieht, ist irgendwann weg.“ Und das dürfe keinesfalls geschehen.